21 Januar 2015

Caquetá – Zone der Guerilla in Kolumbien

Groß war das Thema in den Medien, als Joaquín Gómez, Kommandierender des militärischen Südblocks der FARC-EP, die kubanische Hauptstadt erreichte, um Teil der technischen Unterkommission der Friedensverhandlungen zu werden. Gómez kommandiert politisch-militärische Strukturen von Einheiten in den Provinzen Caquetá und Putumayo. Ein Blick auf die Geschichte der FARC-EP in Caquetá, dem Herzen der Guerilla.

In Caquetá, bzw. im Westen der Region, liegt der Ursprung der FARC-EP. Bauern, die sich der großen Gewaltwelle in den 1950´er Jahren widersetzen, suchten im Süden des Landes, so auch in Caquetá, ihren Rückzugsraum. In der Gewaltwelle, der sogenannten Violencia, bekämpften sich vorrangig die beiden großen traditionellen Parteien. Doch es war auch der Beginn, des Ausschaltens von kommunistischen und alternativen Ideen, Lebensformen und Politikansätzen. Konservative, und später auch liberale Einheiten, machten Jagd auf linke Personen und Gruppen. Ziel war es ihre Macht auszubauen und die Interessen des Kapitals und der Oligarchie zu festigen.

Aus Schutz vor den terrorisierenden Einheiten entstanden besonders im Süden von Kolumbien von Bauern und von der Kommunistischen Partei organisierte Selbstverteidigungsverbände in den entlegenen Regionen, wo sie ihre Zuflucht gefunden hatten. Während die ehemals linksliberalen Guerillas unter der Militärdiktatur von Rojas Pinilla eine Amnestie annahmen, verweigerten die selbstorganisierten und kommunistisch beeinflussten Verbände eine Waffenabgabe. Sie sollten Recht behalten, denn es folgten Militäroperationen und politische Verfolgung unter der mittlerweile entstandenen Zweiparteienherrschaft von liberaler und konservativer Partei, die nach dem Bürgerkrieg in den 1950´er Jahren ihre Herrschaft in einer sogenannten nationalen Front absicherten.

Die Bauernverbände unter der Führung von Isauro Yosa, Jacobo Prías Alape und Manuel Marulanda siedelten sich in den Gegenden der Serranía von Macarena und Guayabero in der Provinz Meta, im Nordosten des heutigen Nationalparks Serranía von Los Picachos und in El Pato in der Provinz Caquetá, im Westen in der Region von Riochiquito in der Provinz Cauca sowie in Sumpaz im Südosten der Hauptstadt Bogotá. Vom konservativen Präsidenten Álvaro Gómez Hurtado wurden diese Gegenden als „unabhängige Republiken” bezeichnet und gehörten vernichtet. Im Sinne der antikommunistischen Militärdoktrin und des Kalten Krieges galten diese als Gefahr für Kolumbien und Lateinamerika.

Eine der letzten großen Militäroffensiven fand im Mai 1964 gegen die Region Marquetalia statt. Im Süden der Provinz Tolima bombardierte das Militär Dörfer und landete Tausende Soldaten, um die Bauernkämpfer zu töten. Unter der Führung von Manual Marulanda zogen sich die Bauern zurück nach Cauca oder verteilten sich auf andere Gegenden. Im Zuge dieser Militäroperation vereinigten sich andere Bauernverbände aus Caquetá, Meta und Cundinamarca zum Südblock der Guerilleros, nachdem im Juli ein erstes einheitliches Programm der Guerillaverbände, das Agrarprogramm, verabschiedet wurde.

Schritt für Schritt begannen die nur spärlich bewaffneten und untereinander vernetzten Bauern sich zu organisieren. In der Zweiten Guerillakonferenz der verschiedenen Verbände gaben sie sich den Namen der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC). Es waren rund 350 Kämpfer, unter ihnen auch Mitglieder der Kommunistischen Partei, die aus Bogotá entsandt worden, um die kommunistische Guerilla aufzubauen. Zu ihnen gehörte Jacobo Arenas, der über Jahre die politische Ausrichtung der FARC-EP bestimmen sollte.

Eine der ersten Fronten der FARC-EP entstand in der Grenzregion der Provinzen von Huila, Caquetá und Meta in einem Korridor zwischen den autonom verwalteten Bauernregionen von El Pato (Caquetá) und Guayabero (Meta). Die zweite Front (2. Front) breitete sich rasch bis in die Grassavannen und undurchdringlichen Wälder des Yarí aus. Heute befindet sich hier der Gemeindebezirk von San Vicente del Caguán. Schon im Jahr 1972 entstand im Zuge der rebellischen Bauernkolonisation die dritten Front (3. Front) der FARC in den Bergen zwischen Caquetá und Huila unter dem Kommando von Luis Ángel, der unter dem Namen „El Paisa“ bekannt war. Zur politischen Unterstützung schickte man Braulio Herrera.

Mit diesem Moment begann eine politische, militärische und soziale Ausrichtung der Region, in welcher der Staat quasi inexistent war, unter der Führung der Guerilla. Zu diesem Zeitpunkt war die Guerilla militärisch defensiv ausgerichtet und übernahm einzig und allein Verteidigungsoperationen. Politisch und sozial organisierte sie das Leben vieler Bauern in San Vicente del Caguán. Es wurde Justiz ausgeübt, Straßen gebaut, Ländereien bewirtschaftet, öffentliche Dienstleistungen organisiert und Veranstaltungen durchgeführt. Die aus allen Teilen Kolumbiens ankommenden Bauern und Familien richteten sich auf einen Neuanfang in Caquetá, auch mit Hilfe der Guerilla, ein. Die Kolonisation der noch unbewirtschafteten Regionen erfolgte oftmals im Einklang mit der Organisation der FARC. Viele sahen sich jedoch noch nicht als Guerilla-Kämpfer, sondern als organisierte Bauern.

Die Ankunft der Leute, die Organisation der Bauern und die Vergrößerung der Guerillaeinheiten sorgten für das Entstehen der 14. Front im Jahr 1974. Es gab einen ersten großen Angriff, die Einnahme des Ortes Puerto Rico, sowie die Ausdehnung der Strukturen nach Guacamayas, Puerto Rico und Cartagena del Chairá. Seit jeher waren diese Zonen unter dem Einfluss der linksliberalen Kräfte. Auch hier ist die Kolonisation der riesigen Landesteile in Richtung des Amazonas im Kontext mit der Organisierung jener Prozesse durch die Guerilla zu sehen. Die Provinz Caquetá muss also immer im Zusammenhang mit der politischen, sozialen und militärischen Mobilisierung und Kolonisierung der FARC gesehen werden, die besonders Ende der 1970er Jahre einsetzte.

Die Zusammenarbeit zwischen Guerilla und Kommunistischer Partei war anfangs fließend. Während der Kolonisation entstanden mit den Fronten der FARC auch Unterstützungsbasen- und Zellen. Diese waren nicht bewaffnet und sorgten für politische Arbeit unter der Bevölkerung und Logistik sowie Informationsbeschaffung für die Guerilla. Für den Eintritt in die Reihen der Guerilla war eine Beurteilung der politischen Arbeit von der Kommunistischen Partei von starker Gewichtung. So ist es kein Wunder, dass viele Gewerkschafter und linke Aktivisten in die FARC eintraten. So war Raúl Reyes Gewerkschafter bei Nestle, die groß in der Milchwirtschaft Caquetás vertreten waren, und Iván Márquez Abgeordneter einer linken Partei in Florencia, der Provinzhauptstadt von Caquetá.

Im Jahr 1982, kurz nach der Siebten Konferenz der Guerilla, breiteten sich die Aktivitäten der nun in Volksarmee umbenannten FARC-EP aus. Sogenannte „Rote Zonen“ gab es vor allem im Norden von Caquetá, in der Hauptstadt Florencia, in Doncello, La Montañita, Puerto Rico, San Vicente del Caguán und Cartagena del Chairá. Caquetá wurde in politischer und militärischer Hinsicht zur sozialen Basis der Guerilla. Im Zuge des Friedensprozesses mit der Regierung Betancur kam es zum politischen Ausbau der Strukturen, zum Beispiel mit Hilfe der Kommunistischen Partei in sogenannten „patriotischen Räten“, an denen führende Personen der Guerilla wie Iván Márquez, Joaquín Gómez oder Braulio Herrera beteiligt waren.

Doch auch die militärischen Strukturen wurden im Rahmen des Friedensprozesses und des Waffenstillstandes ausgebaut, denn viele in der Guerilla hatten ihre Bedenken, dass die politische Lösung von Erfolg gekrönt sein würde. Sie sollten Recht behalten. Das politische Projekt der Unión Patriótica war zum Scheitern verurteilt, nach dem ein systematischer Mord an Mitgliedern und Sympathisanten einsetzte. Die Politik und die Wirtschaft bauten paramilitärische Einheiten auf, um inoffiziell die FARC-EP und alle anderen linken Bewegungen zu bekämpfen. Der einzige Weg zur Machterlangung sah die Guerilla auf militärischem Wege. Dieser Fakt und die Wesensveränderung der Kommunistischen Partei im Zuge des Zusammenbruchs des real existierenden Sozialismus führten zum Bruch mit ihr.

Die politische Gewalt von Regierung und Paramilitärs sorgte dafür, dass das Sekretariat als höchstes Organ ihren Leuten befahl, sich wieder in die Berge und Wälder zurückzuziehen und die Waffe in die Hand zu nehmen. Nicht nur dem Namen nach war die FARC-EP eine Volksarmee. Tausende füllten ihre Reihen, es wurden neue politisch-militärische Strukturen geschaffen und eine eigene Kommunistische Partei gegründet, die bis heute, nicht nur in Caquetá, bestand hat und deren Kommando unter Joaquín Gómez, dem Befehlshaber des Südblocks der FARC-EP, liegt. Mit besonderer Hoffnung schauen alle Menschen aus Caquetá auf die Beendigung des bewaffneten Konfliktes und auf eine Zukunft, in der die FARC-EP aufgrund ihrer historischen Verbundenheit ein Wörtchen mitzureden hat.