Die Geschichte des kolumbianischen Paramilitarismus, der
im Dienst der Oligarchie steht, ist alt und lang. Doch mit dem Tod von Jorge
Eliécer Gaitán am 9. April 1948 beginnt in Kolumbien eine Zeit der Gewalt, in
der Paramilitärs als Teil der Strategie und des Terrors eine führende Rolle
spielen. Schnell warb die herrschende Klasse Personen an, die ihnen und den
staatlichen Organen gegen den wachsenden Unmut der Bevölkerung helfen sollten.
Ausgebildet wurden sie von Großgrundbesitzern, Geschäftsleuten und Firmeninhabern,
konservativen Politikern und von Armee und Polizei. Ihr Ziel in jenen Jahren,
die Auslöschung von linken und liberalen Kräften und die Sicherung ihrer Macht.
Dieses Ziel wollten die paramilitärischen Gruppen, die auch „Los pájaros”, „Los chulavitas” und „Los
bandoleros” genannt wurden, mit Terror und Mord in der Bevölkerung erreichen,
im speziellen im ländlichen Raum. Erst als diese paramilitärischen Gruppen der
konservativen Oligarchie entstanden, gründeten sich die verschiedenen
Selbstverteidigungsgruppen der Bauern und linken Organisationen, aus denen
später die Guerillabewegungen hervorgehen sollten.
Die Propaganda der herrschenden Klasse in Kolumbien hat
stets die FARC-EP für die Gewalt und für den Terror im Land verantwortlich
gemacht. Die Macht der Medien transportiert dieses Bild seit fast 50 Jahren und
die Medien nutzen alle Mittel, um den bewaffneten Widerstand der Kolumbianer in
ein schlechtes Licht zu rücken und sie als kriminell zu bezeichnen, während die
jahrzehntelange Gewalt des Staates zur Verteidigung ihrer eigenen Interessen
keine Erwähnung findet. Dabei wird vergessen, dass unter anderem die FARC-EP
nach expliziter staatlicher Gewalt entstanden sind, als am 27. Mai 1964 Armee,
Polizei und paramilitärische Gruppen die Bauern in Marquetalia und anderen
Regionen Kolumbiens angriffen. Es sind die Instrumente, die der Guerilla
permanent vorgeworfen werden, die den Staat an der Macht erhalten und die
Kapitalakkumulation dienen: Terrorismus, Drogenhandel, physische und psychische
Gewalt gegen die Bevölkerung.
Der Paramilitarismus war damals ein wichtiger Faktor der
Machterhaltung der herrschenden konservativen Klasse und ist auch heute noch
das Instrument, um das neoliberale Wirtschaftsmodell und die Interessen der
Oligarchie durchzusetzen. Es muss nicht mehre großartig erwähnt werden, dass
der Ex-Präsident Álvaro Uribe den Paramilitarismus gefördert hat und auch heute
noch zwielichtige Verbindungen zu diesen Gruppen führt. Gegen über 50
Parlamentarier wurde wegen Verbindungen zu paramilitärischen Gruppen
Ermittlungen von der kolumbianischen Staatsanwaltschaft geführt. Ex-Präsident
Ernesto Samper führte einen Wahlkampf in den 90er Jahren, der maßgeblich mit
Drogengelder finanziert wurde. Zu den Friedensverhandlungen zwischen der Regierung
von Andrés Pastrana und der FARC-EP, als das Militär nicht offensiv agieren
durfte, wählte man die Paramilitärs aus, um den Krieg gegen die aufständische
Bewegung weiter zu führen. Und heute bedienen sich ebenfalls die Oligarchie,
transnationale Konzerne und die Regierung paramilitärischer und
undemokratischer Methoden, um Oppositionelle jeder Art einzuschüchtern, zu
bedrohen oder umzubringen.
Besonders die Figur Álvaro Uribe steht für
Paramilitarismus und eine repressive Politik. In den Jahren von 1980 bis 1982
war er als Leiter der zivilen Fluggesellschaft zuständig für Lizenzen und den
Bau von Flugplätzen. Dieses Amt nutzte er, um dem Medellín-Kartell zum
Drogenhandel zu verhelfen. Die Verbindungen von Uribe wurden unter seiner
politischen Karriere, als Politiker in Medellín und Gouverneur von Antioquia,
weiter ausgebaut. Nicht umsonst fand sich Uribe Anfang der 90er Jahre auf der
Liste der von den USA meistgesuchten Drogenhändler (Platz 82). Die Familie
Uribe schuf paramilitärische Gruppen wie die berüchtigten CONVIVIR, die mit
Privatjustiz und sozialen Säuberungen die Wünsche der Großgrundbesitzer und
Geschäftsmacher befriedigten. Später entstanden die AUC, ein Einheitsverbund
der paramilitärischen Gruppen in Kolumbien, die später im Jahr 2005 in einem
fadenscheinigen Prozess demobilisierten, obwohl die Verbände erhalten blieben.
Diejenigen, die die Massaker an der Bevölkerung verübten
und teilweise immer noch aktiv sind, werden selten beim Namen genannt. Die
Schuld der Misere und von Gewalt lässt sich schnell auf die Guerilla
abschieben. Dabei waren und sind es die staatlichen Organe und paramilitärische
Gruppen, die für schlimme Massaker in der kolumbianischen Geschichte
verantwortlich sind und die im Sinne des ausbeuterischen Kapitalismus handeln. Am
6. Dezember 1928 ereignete sich das Massaker gegen protestierende
Bananenarbeiter der United Fruit Company, welches von der Armee verübt wurde.
Es waren staatliche und paramilitärische Gruppen, die die Gewaltphase
Kolumbiens in den 40er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts, auch unter der
Bezeichnung „Violencia“ bekannt, auslösten und vollführten. Es war das Militär,
das in den 50er und 60er Jahren einen Krieg im Sinne der antikommunistischen
Doktrin gegen die Bauern auf dem Land initiierte. In den 80er Jahren begannen
paramilitärische Gruppen mit der Duldung des Staates einen politischen Genozid
gegen die linke Partei „Unión Patriótica“, die von FARC-EP, Kommunistischer
Partei und Gewerkschaften gegründet worden war.
Mitte und Ende der 90er Jahre ereigneten sich grauenvolle
Massaker an der kolumbianischen Zivilbevölkerung, bei denen staatliche Organe
und paramilitärische Gruppen die Urheber waren. Erinnert sei nur kurz an Namen
wie Vegachi (Antioquia), Miraflores (Urabá), Cumaribio (Vichada), Ciénaga
(Magdalena), Yolombo (Antioquia), Ovejas (Sucre), El Tarra (Norte de
Santander), Remedios (Antioquia), El Salado (Bolívar) oder das von Paramilitärs
und Militärs verübte Massaker in Mapiripán (Guaviare). Wie beim letztgenannten
Beispiel konnten sich die paramilitärischen Gruppen auf die logistische
Unterstützung des Militärs berufen, bei denen Flugzeuge für den Transport zur
Verfügung gestellt wurden. Innerhalb von fünf Tagen massakrierten sie jeden,
den sie für einen Kollaborateur der Guerilla hielten. Mittels Terrors sollte
die Herrschaft über verlorengegangene Regionen wiederhergestellt werden.
Doch nicht nur Terror war und ist Mittel zum Zweck. Auch,
wie der unlängst bekannt gewordene Abhörskandal des Militärs gegenüber der
Friedensdelegation der FARC-EP und Politikern zeigt, andere Mittel werden
genutzt, um den sozialen und politischen Kampf der Opposition zu
kriminalisieren und zu bekämpfen. Der kolumbianische Staat in seiner
repressiven Weise versucht jede Art von sozialen Protest zu kriminalisieren. Es
werden Strafverfahren angeregt und Oppositionelle in den Gefängnissen
eingesperrt. Von den 103.000 Strafgefangenen sind rund 10.000 politische
Häftlinge. Politisch aktive Personen sind Bedrohung und Einschüchterungen
ausgesetzt, letztes Mittel, aber leider gar nicht so abwegig in den Augen des
Staates und der Paramilitärs sind Morde. In den Medien werden Geschichten und
Verleumdungen konstruiert, um Personen oder Gruppen zu diskreditieren. Hacker
versuchen an Informationen über Oppositionelle und Guerilla heranzukommen.
Wieder daran beteiligt sind Militärs und ehemalige Politiker. Seit Jahren
durfte sich der amerikanische Geheimdienst in Kolumbien austoben und
Führungspersonen der Guerilla ausschalten. Kein Wunder also, dass sich die
beiden Kommandierenden Nicolás Rodríguez Bautista (ELN) und Timoleón Jiménez
(FARC-EP) fragen, ob wir es hier mit einem offiziellen Paramilitarismus zu tun
haben?
Die beiden Führungspersonen aus ELN und FARC-EP fragen
dies nicht zu Unrecht. Wie der Artikel aufzeigen soll, ist der Paramilitarismus
stets eine Strategie der kolumbianischen Oligarchie und ihrer Regierungen
gewesen. Auch heute hat sich daran nicht viel geändert, auch wenn die Methoden
vielleicht etwas subtiler geworden sind.