13 Februar 2014

Der Paramilitarismus – bewaffneter Arm der kolumbianischen Oligarchie


Die Geschichte des kolumbianischen Paramilitarismus, der im Dienst der Oligarchie steht, ist alt und lang. Doch mit dem Tod von Jorge Eliécer Gaitán am 9. April 1948 beginnt in Kolumbien eine Zeit der Gewalt, in der Paramilitärs als Teil der Strategie und des Terrors eine führende Rolle spielen. Schnell warb die herrschende Klasse Personen an, die ihnen und den staatlichen Organen gegen den wachsenden Unmut der Bevölkerung helfen sollten. Ausgebildet wurden sie von Großgrundbesitzern, Geschäftsleuten und Firmeninhabern, konservativen Politikern und von Armee und Polizei. Ihr Ziel in jenen Jahren, die Auslöschung von linken und liberalen Kräften und die Sicherung ihrer Macht. Dieses Ziel wollten die paramilitärischen Gruppen, die auch  „Los pájaros”, „Los chulavitas” und „Los bandoleros” genannt wurden, mit Terror und Mord in der Bevölkerung erreichen, im speziellen im ländlichen Raum. Erst als diese paramilitärischen Gruppen der konservativen Oligarchie entstanden, gründeten sich die verschiedenen Selbstverteidigungsgruppen der Bauern und linken Organisationen, aus denen später die Guerillabewegungen hervorgehen sollten.

Die Propaganda der herrschenden Klasse in Kolumbien hat stets die FARC-EP für die Gewalt und für den Terror im Land verantwortlich gemacht. Die Macht der Medien transportiert dieses Bild seit fast 50 Jahren und die Medien nutzen alle Mittel, um den bewaffneten Widerstand der Kolumbianer in ein schlechtes Licht zu rücken und sie als kriminell zu bezeichnen, während die jahrzehntelange Gewalt des Staates zur Verteidigung ihrer eigenen Interessen keine Erwähnung findet. Dabei wird vergessen, dass unter anderem die FARC-EP nach expliziter staatlicher Gewalt entstanden sind, als am 27. Mai 1964 Armee, Polizei und paramilitärische Gruppen die Bauern in Marquetalia und anderen Regionen Kolumbiens angriffen. Es sind die Instrumente, die der Guerilla permanent vorgeworfen werden, die den Staat an der Macht erhalten und die Kapitalakkumulation dienen: Terrorismus, Drogenhandel, physische und psychische Gewalt gegen die Bevölkerung.

Der Paramilitarismus war damals ein wichtiger Faktor der Machterhaltung der herrschenden konservativen Klasse und ist auch heute noch das Instrument, um das neoliberale Wirtschaftsmodell und die Interessen der Oligarchie durchzusetzen. Es muss nicht mehre großartig erwähnt werden, dass der Ex-Präsident Álvaro Uribe den Paramilitarismus gefördert hat und auch heute noch zwielichtige Verbindungen zu diesen Gruppen führt. Gegen über 50 Parlamentarier wurde wegen Verbindungen zu paramilitärischen Gruppen Ermittlungen von der kolumbianischen Staatsanwaltschaft geführt. Ex-Präsident Ernesto Samper führte einen Wahlkampf in den 90er Jahren, der maßgeblich mit Drogengelder finanziert wurde. Zu den Friedensverhandlungen zwischen der Regierung von Andrés Pastrana und der FARC-EP, als das Militär nicht offensiv agieren durfte, wählte man die Paramilitärs aus, um den Krieg gegen die aufständische Bewegung weiter zu führen. Und heute bedienen sich ebenfalls die Oligarchie, transnationale Konzerne und die Regierung paramilitärischer und undemokratischer Methoden, um Oppositionelle jeder Art einzuschüchtern, zu bedrohen oder umzubringen.

Besonders die Figur Álvaro Uribe steht für Paramilitarismus und eine repressive Politik. In den Jahren von 1980 bis 1982 war er als Leiter der zivilen Fluggesellschaft zuständig für Lizenzen und den Bau von Flugplätzen. Dieses Amt nutzte er, um dem Medellín-Kartell zum Drogenhandel zu verhelfen. Die Verbindungen von Uribe wurden unter seiner politischen Karriere, als Politiker in Medellín und Gouverneur von Antioquia, weiter ausgebaut. Nicht umsonst fand sich Uribe Anfang der 90er Jahre auf der Liste der von den USA meistgesuchten Drogenhändler (Platz 82). Die Familie Uribe schuf paramilitärische Gruppen wie die berüchtigten CONVIVIR, die mit Privatjustiz und sozialen Säuberungen die Wünsche der Großgrundbesitzer und Geschäftsmacher befriedigten. Später entstanden die AUC, ein Einheitsverbund der paramilitärischen Gruppen in Kolumbien, die später im Jahr 2005 in einem fadenscheinigen Prozess demobilisierten, obwohl die Verbände erhalten blieben.

Diejenigen, die die Massaker an der Bevölkerung verübten und teilweise immer noch aktiv sind, werden selten beim Namen genannt. Die Schuld der Misere und von Gewalt lässt sich schnell auf die Guerilla abschieben. Dabei waren und sind es die staatlichen Organe und paramilitärische Gruppen, die für schlimme Massaker in der kolumbianischen Geschichte verantwortlich sind und die im Sinne des ausbeuterischen Kapitalismus handeln. Am 6. Dezember 1928 ereignete sich das Massaker gegen protestierende Bananenarbeiter der United Fruit Company, welches von der Armee verübt wurde. Es waren staatliche und paramilitärische Gruppen, die die Gewaltphase Kolumbiens in den 40er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts, auch unter der Bezeichnung „Violencia“ bekannt, auslösten und vollführten. Es war das Militär, das in den 50er und 60er Jahren einen Krieg im Sinne der antikommunistischen Doktrin gegen die Bauern auf dem Land initiierte. In den 80er Jahren begannen paramilitärische Gruppen mit der Duldung des Staates einen politischen Genozid gegen die linke Partei „Unión Patriótica“, die von FARC-EP, Kommunistischer Partei und Gewerkschaften gegründet worden war.

Mitte und Ende der 90er Jahre ereigneten sich grauenvolle Massaker an der kolumbianischen Zivilbevölkerung, bei denen staatliche Organe und paramilitärische Gruppen die Urheber waren. Erinnert sei nur kurz an Namen wie Vegachi (Antioquia), Miraflores (Urabá), Cumaribio (Vichada), Ciénaga (Magdalena), Yolombo (Antioquia), Ovejas (Sucre), El Tarra (Norte de Santander), Remedios (Antioquia), El Salado (Bolívar) oder das von Paramilitärs und Militärs verübte Massaker in Mapiripán (Guaviare). Wie beim letztgenannten Beispiel konnten sich die paramilitärischen Gruppen auf die logistische Unterstützung des Militärs berufen, bei denen Flugzeuge für den Transport zur Verfügung gestellt wurden. Innerhalb von fünf Tagen massakrierten sie jeden, den sie für einen Kollaborateur der Guerilla hielten. Mittels Terrors sollte die Herrschaft über verlorengegangene Regionen wiederhergestellt werden.

Doch nicht nur Terror war und ist Mittel zum Zweck. Auch, wie der unlängst bekannt gewordene Abhörskandal des Militärs gegenüber der Friedensdelegation der FARC-EP und Politikern zeigt, andere Mittel werden genutzt, um den sozialen und politischen Kampf der Opposition zu kriminalisieren und zu bekämpfen. Der kolumbianische Staat in seiner repressiven Weise versucht jede Art von sozialen Protest zu kriminalisieren. Es werden Strafverfahren angeregt und Oppositionelle in den Gefängnissen eingesperrt. Von den 103.000 Strafgefangenen sind rund 10.000 politische Häftlinge. Politisch aktive Personen sind Bedrohung und Einschüchterungen ausgesetzt, letztes Mittel, aber leider gar nicht so abwegig in den Augen des Staates und der Paramilitärs sind Morde. In den Medien werden Geschichten und Verleumdungen konstruiert, um Personen oder Gruppen zu diskreditieren. Hacker versuchen an Informationen über Oppositionelle und Guerilla heranzukommen. Wieder daran beteiligt sind Militärs und ehemalige Politiker. Seit Jahren durfte sich der amerikanische Geheimdienst in Kolumbien austoben und Führungspersonen der Guerilla ausschalten. Kein Wunder also, dass sich die beiden Kommandierenden Nicolás Rodríguez Bautista (ELN) und Timoleón Jiménez (FARC-EP) fragen, ob wir es hier mit einem offiziellen Paramilitarismus zu tun haben?

Die beiden Führungspersonen aus ELN und FARC-EP fragen dies nicht zu Unrecht. Wie der Artikel aufzeigen soll, ist der Paramilitarismus stets eine Strategie der kolumbianischen Oligarchie und ihrer Regierungen gewesen. Auch heute hat sich daran nicht viel geändert, auch wenn die Methoden vielleicht etwas subtiler geworden sind.