24 Januar 2014

El Cerrejón – Ausplünderung und Misere

„Sie nehmen aus Arauca das Erdöl mit, sie rauben aus El Cerrejón die Kohle und für mein Kolumbien bleibt nur traurige Misere und der Abraum.“ So sang und beschrieb schon der aufständische Liedermacher Lucas Iguarán die Situation im Norden Kolumbiens. Doch wie sieht die Situation ein Jahr nach dem großen Streik aus?

La Guajira gehört zu den Provinzen in Kolumbien, die von der Regierung vernachlässigt werden, obwohl diese Provinz paradoxerweise zu den reichsten im Land gehört. Sie besitzt von der Natur sagenhaft geformte Landschaften, die zahllose Touristen anlocken und auch unter der Erde ist der Reichtum des Landes gigantisch. La Guajira zählt aufgrund seiner natürlichen Ressourcen zu den wirtschaftlichen Eckpfeilern der sogenannten „Bergbau-Lokomotive“, mit der die natürlichen Ressourcen ausplündert werden, der Wohlstand aber nur bei den transnationalen Konzernen bleibt, während die soziale und wirtschaftliche Situation der lokalen Bevölkerung sogar Verschlechterungen nach sich zieht. So gibt es durch den industriellen Abbau Probleme mit der Gesundheit und Ernährung, besonders für Kinder und ältere Menschen, es gibt keine Investitionen in das Bildungssystem und die wenigen Investitionen in die Infrastruktur dienen vorrangig der Förderung und dem Transport der abgebauten Kohle. Die Folgen des Abbaus hingegen spürt die Bevölkerung am eigenen Leibe, Vertreibungen von ihrem angestammten Land und eine Verstärkung der paramilitärischen Gewalt zur Durchsetzung der Konzerninteressen sind einige der Begleiterscheinungen der „Bergbau-Lokomotive“ in La Guajira, auch aktuell.

Hinzu kommen die ökologischen Folgen. El Cerrejón als die größte Mine im Übertagebau, hinterlässt eine Landschaft, die an einen anderen Planeten erinnert. Wälder und Savannen werden abgeholzt und das ertragreiche Land verschwindet für die ertragreichen Gewinne der transnationalen Konzerne durch den Abbau der Kohle. Das Grundwasser, überlebenswichtig für die lokale Bevölkerung, wird durch die Mine und die Verwendung des Wassers zur Reinigung der Kohle verseucht und sinkt immer mehr ab. Schwermetalle werden freigesetzt und verdrecken nicht nur das Wasser, sondern auch den Boden. Hinzu kommt eine enorme Belastung durch Staub und Ruß, die durch den Abbau und die Freilegung der Böden entstehen. All diese Faktoren führen zu enormen Problemen für die Bevölkerung, die gerade hier den Anspruch besitzen müsste, um besser versorgt zu werden. Stattdessen wird das Land ausgeplündert und die Bevölkerung mit ihren Problemen allein gelassen. Dabei gilt das Beispiel El Cerrejón als nur eines von vielen, die sich derzeit in Kolumbien ereignen. Doch El Cerrejón und die Region La Guajira haben zumindest aus medialer Sicht den Vorteil, dass sie mit ihrer Situation und Problemen in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden.

Im Zentrum von La Guajira ist mit der größten Übertagemine der Welt ein Bergbau gelegen, der zwar geografisch in Kolumbien situiert ist, deren Besitzer aber aus anderen Ländern kommen. Die Eigentümer sind die Konzerne BHP Billiton, Xstrata und Anglo American, die zum Beispiel im Jahr 2012 34,6 Millionen Tonnen Kohle förderten, wovon 32,8 für die Gewinne der transnationalen Konzerne sorgen und ins Ausland gehen. Im Jahr 2013 wurden die Exporte nochmals um 2 Prozent zu 2012 gesteigert. Deutschland ist einer der größten Abnehmer der Kohle aus El Cerrejón. Während die Arbeiter unter den schwierigen Bedingungen für die eigentlichen Einnahmen der Konzerne sorgen, können sie an den Gewinnen nicht teilhaben. Als genau vor einem Jahr ein Streik der Arbeiter durch die Gewerkschaft SINTRACARBÓN auf ihre miserablen Arbeits- und Lebensbedingungen aufmerksam machte, da schrien die Medien, dass dadurch das Klima der Wirtschaft und der Investoren vergiftet würde. Doch keiner schrie danach, dass durch El Cerrejón auch die Umwelt und das Leben der Arbeiter vergiftet werden.

Ein Jahr nach dem Streik in der Mine von El Cerrejón haben sich einige positive Veränderungen für die Arbeiter und die lokale Bevölkerung ergeben. So konnte ein Tarifvertrag für einen Großteil der Arbeiter erkämpft werden, die Hälfte der Arbeiter war in Leiharbeitsfirmen beschäftigt und hatte so gut wie gar keine Rechte. Lohnerhöhungen, wenn auch für viele nur minimal zu den Lebenserhaltungskosten, konnten ebenfalls erreicht werden. Doch zu den positiven Dingen kamen auch negative Folgen, wie die zunehmende Bedrohung durch paramilitärische Einheiten gegen die Organisierung der Arbeiter, rund 75 Prozent der 7000 Festangestellten sind in der Gewerkschaft organisiert, und eine Zunahme von Kriminalität und Gewalt zu erkennen. Schon 2011 kam eine Studie zu dem Ergebnis, dass 80 Prozent aller Menschenrechtsverletzungen in kolumbianischen Gebieten geschehen, wo Bergbau und Erdölförderung betrieben werden. Als elementar gelten hierbei Bedrohungen und Morde gegen soziale Bewegungen und Gewerkschaften, sowie Vertreibungen der Menschen. Auch die Machenschaften von Drogenbanden und anderen kriminellen Gruppen erhöhten sich, die im Schlepptau der transnationalen Konzerne überall dort auftauchen, wo Großprojekte am Laufen sind.

Vorrangig haben sich die Arbeitsbedingungen der Arbeiter also durch den Streik etwas verbessert, während viele Menschen in der Region eine Zunahme der Unsicherheit beklagen und die ökologischen Probleme nicht wirklich gelöst werden. Zwar konnte vor wenigen Wochen mit dem temporären Ausfuhrverbot und der Millionenstrafe für den US-amerikanischen Bergbaukonzern Drummond ein kolumbianischer Teilsieg vor Gericht erreicht werden – Drummond fördert Kohle in der nördlichen Provinz César und verschmutzt unter anderem bei der Verladung auf Schiffen regelmäßig die Küstengebiete, doch für grundlegende Veränderungen der Arbeits- und Lebensbedingungen muss weiterhin gekämpft und die Öffentlichkeit sensibilisiert werden. Zwar gibt es mit der konzerneigenen Stiftung ein Projekt, die öffentlichkeitswirksam mit Spenden von sozialen Projekten und Feiern in Erscheinung tritt, wie derzeit in der Stadt Riohacha, doch für die einfache Bevölkerung springt dabei selten etwas Existentielles heraus.

Lied auf dem Album "Mensaje Fariano" mit dem Titel (04) "Tristeza y socavon"