Das ist die Frage, die sich viele Leute in
Kolumbien stellen. Wir alle wissen zumindest, was in der Vergangenheit schon
mehrmals geschah. Die Guerilla M-19 legte ihre Waffen ab, ließ sich in das
politische System einbinden und trotzdem wurde ein Großteil ihrer Mitglieder
ermordet. Schon zuvor verkündeten die FARC eine Waffenruhe. Damals befanden sie
sich im Friedensprozess mit Belisario Betancur. Auch hier wissen wir, was
geschah. Der politische Weg der FARC mit der Unión Patriótica wurde mit Waffen
bekämpft, von paramilitärischen Gruppen, die die volle Unterstützung der Armee
und von Teilen der Regierung hatten. Die FARC griffen wieder zu den Waffen und
die Jahre vergingen, nicht ohne erneute Waffenruhe und Friedensprozesse
anzubieten. Mittlerweile sind Generationen von Guerilleros und Generationen der
Bevölkerung Leidtragende im Konflikt geworden, viele starben, unter ihnen
führende Persönlichkeiten der aufständischen Bewegung wie Jacobo Arenas, Manuel
Marulanda, Jorge Briceño oder Alfonso Cano. Vielleicht ist es deswegen wichtig
zu überlegen, was nach der Waffenruhe geschieht. Vielleicht ist es deswegen
wichtig, den Friedensprozess zu beenden, um das blutige Kapitel endlich zu
beenden. Doch kann man einfach so seine Waffen niederlegen, wenn man für ein
wirkliche Demokratie und soziale Gerechtigkeit kämpft, am Ende aber alles beim
Alten bleibt? Kann man seine Waffen einfach so niederlegen, wenn man auf der
Straße lautstark und kritisch Brot und Freiheit fordert, dann aber später
erschossen wird? Kann man einfach so seine Waffen niederlegen, wenn man
mitansehen muss, wie der rechtskräftig gewählte linksalternative Bürgermeister
von Bogotá, Gustavo Petro, durch den Oberstaatsanwalt Alejandro Ordóñez aus dem
Amt geworfen wird, weil er privaten Firmen wegen Missmanagement und
Finanzspekulation die Konzessionen entzog.
Nun haben die FARC über Weihnachten und
Neujahr eine einseitige Waffenruhe ausgerufen. Nicht die erste ihrer Art. Die
Waffenruhe endet Mitte Januar, nach den von der Guerilla bestimmten 30 Tagen.
Für die Zeit des einseitigen Waffenruhe bedeutet es hoffentlich ein Nachdenken
und Ausruhen. Das Ende der Waffenruhe ist jedoch jetzt schon eine schlechte
Nachricht für Guerilleros, Soldaten und Bevölkerung. Bei der letzten von der
FARC ausgerufenen Waffenruhe im letzten Jahr sind die Kämpfe und offensive
Aktionen zurückgegangen. Und dies obwohl die Armee weiterhin militärischen
Handlungen durchführte. Doch ein bilateraler Waffenstillstand scheint nach den
Aussagen von Regierung und Armee derzeit unmöglich. Dabei zeigen die FARC
wieder einmal, wie ernst sie es mit Frieden und einer politischen Lösung
meinen. Es wäre Zeit, dass die Regierung diese Werte anerkennt und sie dem
Waffenstillstand und den Friedensverhandlungen ein tatsächliches politisches
Gewicht beimisst. Dort, wo im letzten Jahr wenig Armee stationiert war (Guaviare,
Meta, Caquetá y Putumayo), dort kam es zu keinen nennenswerten Kämpfen, doch
dort, wo die Armee stark präsent war (Cauca), kam es trotz der einseitigen
Waffenruhe zu kämpfen. Die Geschichte zeigt, dass unilaterale oder auch bilaterale
Waffenstillstände nicht von Verletzungen befreit waren. Aber Waffenstillstände
bedeuten zumindest, dass man politisch auch andere Wege zur Konfliktlösung
vorzieht und sich nicht nur mit dem Krieg beschäftigt. Was im Januar passieren
wird, wissen wir nicht. Aber es sieht ganz danach aus, dass es weiter Angriffe,
Explosionen, Minen, Bombardierungen und Vertreibung geben wird.