08 Juli 2013

Die Ausbildungszentren der FARC-EP


Seit dem Bestehen der FARC-EP gibt es Bestrebungen, ihre Kämpfer und Kämpferinnen politisch und militärisch zu schulen. Schon frühzeitig wurden diese Bestrebungen umgesetzt, doch erst seit den 1980er Jahren entstanden im ganzen Land Ausbildungszentren, in denen professionelle Schulungen und Kurse abgehalten wurden.

Auch wenn in Zeiten der Militarisierung des Landes und der zunehmenden Operationen von staatlichen Sicherheitskräften sowie angesichts der technologischen Überlegenheit der Waffensysteme des Staates die Guerilla mehr um ihre Sicherheit fürchten muss, als noch vor 20 Jahren, so spielt die Bildung und Ausbildung von Bevölkerung und Guerilleros weiterhin eine große Rolle. Viele der Schulen und Ausbildungszentren befinden sich nicht mehr in den großen Camps der FARC-EP, sondern werden mehr oder weniger geheim und gut versteckt in den ländlichen Regionen des Landes betrieben, in denen die Guerilla eine große soziale Basis hat und sie unter der Bevölkerung solidarische und gleichgesinnte Leute findet. So gibt es weiterhin Unterricht und Alphabetisierungskampagnen für die Landbevölkerung, aber auch Basis- und Spezialkurse für Guerilleros der FARC-EP.

Dass die Bildung und Ausbildung  im alltäglichen Leben eines Guerilleros groß geschrieben wird, zeigt nicht nur die täglich durchgeführte kulturelle Stunde am Abend eines jeden Tages, sondern die weitreichende Auseinandersetzung mit politischen, sozialen und kulturellen Themen in der Ausbildung. Aktuell werden besonders im Rahmen der Friedensgespräche die Vorschläge von der Friedensdelegation der FARC-EP und der Regierung erörtert, diskutiert und gegeben falls ergänzt. Im Zuge dessen wurde auch die politische Arbeit mit der Bevölkerung erhöht. In mehr oder wenigen offenen und großen Versammlungen werden in den Dörfern die verschiedenen Meinungen und Vorschläge ausgetauscht, sowie die Bevölkerung über den aktuellen Stand informiert. Leider ist es in Kolumbien so, dass die Massenmedien recht einseitig und regierungsnah über die Ereignisse während der Friedensverhandlungen berichten.

Organisationen, die sich mit dem bewaffneten Konflikt in Kolumbien beschäftigen, gehen in der Vergangenheit von mindestens neun großen bekannten Ausbildungszentren in Kolumbien aus. Die meisten Zentren entstanden in den 1980er Jahren, als die Guerilla schnell wuchs und die Ausbildung ein wichtiger Bestandteil innerhalb der Guerilla wurde. Besonders in den historischen Einzugsgebieten der FARC-EP, wie in Zentralkolumbien, im Osten des Landes oder im Magdalena Medio waren diese angesiedelt. Die meisten befanden sich in den Schlüsselregionen von La Macarena (Meta) und in San Vicente del Caguán (Caquetá).  Auch heute noch werden Ausbildungszentren von der FARC-EP am Leben erhalten, denn die Ausbildung und Schulung spielt weiterhin eine wichtige Rolle im Leben der Guerilla.

Die Kurse der Guerilla sind höchst unterschiedlich. Es gibt Kurse für Sprachen, Geschichte und Kultur, also Kurse, die sich mit der Allgemeinbildung beschäftigen. Ein Teil der Guerilleros kommt aus ärmlichen Verhältnissen vom Land, wo die Bildung keine Rolle gespielt und der Staat keine Investitionen in das Bildungssystem unternommen hat. Auf der anderen Seite werden Kurse und Schulungen speziell für das Leben in der Guerilla angeboten. Diese haben meist einen politischen und militärischen Charakter. Es wird taktisches Verhalten gelehrt, der Umgang und die Herstellung von Waffen bzw. Waffensystemen geübt und es gibt Kurse zur Aufklärung. Des Weiteren werden Schulungen zur politischen Ideologie des Sozialismus, zum Bolivarismus, zum Rechtswesen und zur politischen Arbeit mit der Bevölkerung abgehalten.

Hinzu kommen Spezialkurse für Guerrileros, die sich in einem bestimmten Fachgebiet verorten bzw. verorten wollen. Dazu zählen Personen, die in den Sanitätsbrigaden tätig sind und vorrangig auf dem Land unterwegs sind, um die Bevölkerung medizinisch zu versorgen und Präventionsmaßnahmen zu leisten. Auch im kulturellen Bereich gibt es Ausbildungsangebote. Mittels von Liedern oder Theaterstücken können leicht politische Inhalte transportiert und der Kontakt zur Bevölkerung gehalten werden. Alle Kurse und Schulungen haben gemein, dass die Ideen und Schlussfolgerungen der Guerillakonferenzen und des Sekretariats des Zentralen Generalstabs diskutiert werden und politische Themen aus Kolumbien und der ganzen Welt in die Diskussionsrunden miteinbezogen werden. Je nach Themengebiet können die Kurse von einem bis zu acht Monate dauern.

Die Schule „Isaías Pardo“ wurde im Juni 1984 gegründet und befand sich an der Grenze der Region La Macarena (Meta) zur Region Cartagena del Chaira (Caquetá). Diese Schule nutzte man hauptsächlich zur Ausbildung von Führungspersonen und Kommandierenden der militärischen Einheiten im östlichen und südlichen Militärblock. „Isaías Pardo II“ war eine weitere Schule selben Namens, war aber in der Region von San Vicente del Caguán (Caquetá) und wurde während der späten 1990er Jahre erbaut. Sie diente der politischen und militärischen Schulung von Guerilleros. Mehrere Hundert Personen durchliefen die Angebote des Bildungszentrums. Im April 2012 wurde die Schule und Teilnehmende höheren Ranges eines gerade stattfindenden Kurses durch einen Militärangriff getötet.

Ebenfalls im Jahr 1984 wurde das Ausbildungszentrum „Hernando González Acosta“ durch die Oberkommandierenden der Guerilla gegründet. Die Schule befand sich in La Macarena (Meta) an der Grenze zur Region San José del Guaviare. Aufgrund der Lage wurden hauptsächlich Guerilleros aus dem südlichen und östlichen Militärblock geschult. Auch in diesem Ausbildungszentrum, das man für politische und militärische Schulungen nutzte, durchliefen sowohl Kader als auch Guerilleros. Die Schule „Hernán Murillo Toro“ hingegen befand sich in der Region Tolima (Zentralkolumbien), entstand 1997 und hatte mehrere Ausbildungsstätten auf verschiedene Dörfer verteilt. Sie war Bestandteil des zentralen Militärblocks der FARC-EP. In ihr fand ein sechsmonatiger Basiskurs für Guerilleros, aber auch Sport-, Erste Hilfe- und Kartografiekurse statt. Für erfahrene Guerilleros gab es Spezialausbildungen für Kämpfe in den Bergen und im offenen Gelände. Hinzu kamen Kurse zur Spionage, politischen Massenarbeit und Rekrutierung zukünftiger Kämpfer, die ebenfalls sechs Monate dauerten. 2005 wurden einige Ausbildungscamps durch das Militär zerstört. 

Weitere wichtige Schulen befanden sich im Norden Kolumbiens, die unter der Kontrolle des Blocks Magdalena Medio standen. Ein weit verzweigtes Netz von Zentren befand sich unter anderem in den Regionen Antioquia, Bolívar, Norte de Santander und Santander. Viele der Schulen hatten Namen, die sich auf die indigene und kolumbianische Kultur beriefen. So hieß zum Beispiel eine Schule in Antioquia „Cacique Pipatón“, nach einem lokalen Anführer der Indígenas. Auch in den Montes de María oder in Catatumbo, beides historische Widerstandsregionen der Guerilla, errichtete die aufständische Bewegung Ausbildungszentren. Die meisten Schulen dienten politischen und militärischen Basiskursen, die zwischen einem und vier Monaten dauerten. Bekannt war ein Ausbildungszentrum in La Esperanza (Norte de Santander), in welchem Kurse zu Funk- und Radiotechnik angeboten wurden.